Sein leerer, gesenkter Blick beobachtet still und starr das verspielte Licht-Schatten-Duell auf dem Boden vor dem Schreibtisch. Der alte Teppich wirkt unverständlich weich und unschuldig.
Nur Bob Dylan unterbricht unerhört die Schwere des Augenblicks. Zunächst vorsichtig, mit ruhigen Gitarrenklängen und der traurig-verstimmten Melodie einer Geige.
a: „das ist wirklich passiert.“
b nimmt langsam und genussvoll die selbstgedrehte Zigarette aus dem Mund und sein Blick folgt genervt den letzten Strahlen der tiefstehenden Sonne Richtung Wohnzimmer. Vom Balkon aus erinnert es ihn an die Beschreibung einer düsteren Höhle in einer alten Sage.
b: „was?“
a: „was, was?“
b: „was ist wirklich passiert?“
Mit bedachten, sanften Schritten bewegt er sich zurück zu a in die Wohnung. Er zerstört das Schattenspiel des Teppichs ohne es zu bemerken.
a: „der Song. Bob Dylan. Hurricane.“
b: „ok.“
a: „Rubin Carter. Rubin ‚Hurricane‘ Carter. Er war ein schwarzer amerikanischer Boxer in den 70ern. Er wurde damals wegen dreifachem Mord verurteilt.“
♪♪♪ Here comes the story of the Hurricane
The man the authorities came to blame ♪♪♪
a: „er war unschuldig. Man brauchte aber offensichtlich einen Täter.“
b: „man braucht offensichtlich immer einen Täter.“
♪♪♪ Remember that murder that happened in a bar?“
„Remember you said you saw the getaway car?“
„You think you’d like to play ball with the law?“
„Think it might-a been that fighter that you saw runnin‘ that night?“
„Don’t forget that you are white. ♪♪♪
a: “und wie immer findet man jemanden der die perfekte Lüge ausspricht. Offiziell. Damit etwas passiert.“
b: „klingt nach Rassismus wenn du mich fragst.“
♪♪♪ The D.A. said he was the one who did the deed
And the all-white jury agreed ♪♪♪
b: „es ist immer Rassismus. Und man findet immer jemanden.“
a: „er war 20 Jahre im Knast. 20! unschuldig. Hätte Bob Dylan und diese verdammt verstimmte Violine nicht so viel Aufmerksamkeit erregt, wär er noch immer dort.“
b: „also ist er frei? Das ist doch gut?“
a: „nein.“
♪♪♪ To see him obviously framed
Couldn’t help but make me feel ashamed to live in a land
Where justice is a game ♪♪♪
a: „wer kann ihm diese Zeit zurückgeben? Er hatte die Chance der beste Boxer der Welt zu werden.“
b: „ja. so ist das Leben.“
a: „nein. so ist das SCHEIß Leben!“
♪♪♪ That’s the story of the Hurricane
But it won’t be over till they clear his name
And give him back the time he’s done
Put in a prison cell, but one time he could-a been
The champion of the world ♪♪♪
b: „a?“
a: „was?“
b: „denkst du es geht dabei irgendwie auch um uns? Denkst du wir verspielen unsere Chance Champions zu werden?“
a: „es geht immer um uns. Es geht immer um die Chance. Es geht immer um jemanden der so viel zu sagen hat, dass ihm niemand zuhört. Es geht immer um Bob Dylan.“
Die Beiden setzen sich zurück an den Esstisch auf dem die Spielkarten unverändert wild zerstreut herumliegen. Die verteilten Karten erinnern an einen Tatort. Faszinierend. Fremd. Merkwürdig.
a sammelt sie sorgfältig ein und beginnt den säuberlich sortierten Stapel durchzumischen.
b: „amen.“
Eine Zusammenarbeit mit Markus Morawetz.
www.markusmorawetz.at
Mit Patrick Morawetz, Alex Schauer